Abschied von Mami


Ich weiß gar nicht genau, ob ich darüber schon einmal geschrieben habe.  – Es gehören ja auch Mut und Überwindung dazu.

Karl-Peter und ich waren frisch verliebt und es stand irgendwie im Raum, ihn meinen Eltern vorzustellen.
Dagegen sprach aber immer die Krebserkrankung meiner Mutter, ihre zahlreichen Chemotherapien und ihre Erschöpftheit.  – Sie vertröstete mich immer wieder.

Wir waren im Strandkorb an der Ostsee.
Ich hatte gerade noch ein Bad genommen,
da stand Karl-Peter vor mir und sagte:
„Der Engel des Todes war bei mir und hat gesagt,
du sollst deine Mutter anrufen.“
Ich nahm das Handy und rief an.
Mein Vater war am Telefon und ich sagte, wir seien in der Nähe und würden gern auf einen Sprung vorbei kommen.  – Dann hatte ich Mami am Telefon.
Sie würde sich anziehen, sei aber sehr schwach.
Sie würde sich freuen, aber mit der Perücke… die sei so schrecklich warm…

Wie egal mir diese Perücke in diesem Moment war.
Ich bat Karl-Peter mir meinen Vater vom Hals zu halten.
Das versprach er mir.  – Und so fuhren wir hin.

Als wir ankamen, entführte Karl-Peter meinen Vater an seinen PC.
Die beiden waren nicht nur spontan verschwunden, sondern verstanden sich
auch auf Anhieb.

Mami hatte sich aufgerafft und saß mit mir auf der Terrasse.
Wir hielten uns an den Händen, was wir früher nie taten.
Sie plauderte über einen Rollstuhl, der kommen sollte.
Wir wussten beide, dass sie ihn nicht mehr erleben würde.
Wir wussten, dass es Abschied war.
Ein Abschied für immer oder eine lange Zeit.

Eine Weile saßen wir stumm und dann sagte sie:
„Es gibt nichts mehr zu sagen.“ – Wir beide waren in Frieden.

Doch da gab es noch etwas.

„Das einzige, was mich ärgert“, sagte Mami, “ ist, dass
mein verstorbener Vater ständig um mich herum ist.
Er schwirrt durch meine Träume und macht mich wütend.“

Ich konnte ihr da nicht helfen.
Sie sagte, sie sei müde und wolle sich hinlegen.
So rief ich nach meinem Vater und Karl-Peter.
Wir verabschiedeten uns und führen nach Hause.
Am Montag danach fiel sie ins Koma und verstarb
eine Woche später – an ihrem Geburtstag.

Ich bin sehr dankbar für diesen Abschied.

Ricarda

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