Wenn man Eltern hat – und wer hat die nicht – dann prägen sie auch Dich.
Meine Mami war ein Fan von Hans Albers und ihre Liebe zu ihm ist natürlich
auch an mir nicht spurlos vorüber gegangen.
Seine Lieder und Filme haben meine Kindheit begleitet. Und eines ganz besonders:
Unabhängig von jeder späteren Glaubensüberzeugung hat mich das begleitet.
Meine Oma Anni, die Mutter meiner Mutter, war dafür immer ein Beispiel
und ihr Lebens-Motto:
Danke an alle Freunde aus der Western-Szene. Es war und bleibt eine besondere Zeit in meinem Leben. In meinem Herzen hat ihr einen einzigartigen Platz. Eure Margit Ricarda Rolf
Dieses Foto entspricht nicht ganz meinem Alter
in dieser Geschichte.
Es ist ja manchmal so, dass einem etwas passiert,
dass etwas in Erinnerung bringt, das lange vorbei ist.
Ich habe es auch nur bruchstückhaft in Erinnerung:
Ich ging an Papis Hand auf einer Barkasse.
Mami kam mit meinem Bruder erst später dazu.
Jedenfalls kamen wir an einen Tisch mit vielen Opas.
.
„Reinhold, bist du Reinhold. – Du, das ist Reinhold. – Und die Lütte ?“
„Das ist meine Tochter.“ – „Das ist Reinholds Tochter ! – Schenk mal einen ein.“
Dann kamen die Buddeln und auch für mich wollten sie einen einschenken.
Papi lehnte ab. Aber damit kam er nicht durch.
Doppelkorn ?
Na gut, dann eben einen Appelkorn.
So kam ich zu meinem ersten Schnapps (gefühlt 8 Jahre).
„Auf einem Bein kann man nicht stehen !“
Und schon gossen sie den zweiten ein.
Papi nahm mich flugs an die Hand und suchte nach Mami.
Ziemlich schnell verließen wir die Feier dann, aber ich fand´s lustig.
Alkohol ? – Auch für kleine Kinder ? – Das wurde damals nicht so eng gesehen.
Mit 5 Jahren ging ich Bier und Zigaretten holen bei May an der Ecke,
wo wir auch anschreiben ließen. Der Umgang mit Alkohol war damals eher entspannt.
Das Foto dürfte wohl eher gestellt sein;
zeigt aber den Zeitgeist.
Ganz wage kann ich mich auch
noch an die Aufnahme erinnern.
Papi hatte grad die Fotografie für sich entdeckt und alles und jeder, der nicht rechtzeitig weg war, wurde Opfer seines neues Hobbys.
Mein kleiner Bruder war immer schon brav und hat gemacht, was Papi gesagt hat.
Verstanden hat er das sicher nicht. .Ricarda
Mein geschiedener Ehemann ist verstorben.
Ich stehe meinen Kindern dort zur Seite, wo es nötig ist.
Es ist unvermeidlich, dass dabei auch Erinnerungen hoch steigen.
Eine gilt Lolo – meiner Schwiegermutter.
In meiner jungen Ehe haben wir ungefähr alle drei Wochen bei Schwiegereltern verbracht. Es war schön und manchmal langweilig.
Wie vertreibt man sich dann die Zeit ?
Als Leseratte gar kein Problem !
Dort stand zwar auch Mein Kampf in der Bibliothek
und ich habe mich mühselig durch die ersten zwei Kapitel gefressen,
aber es gab auch interessantere Bücher.
Rebecca war eines davon. – Ein Klassiker.
Danke Lolo für :
eure Bibliothek,
die Lesetipps
und die schönen Stunden vor dem Kamin
und dem Ofen im Herrenzimmer.
Wir alle werden geprägt. Das beginnt mit den Eltern, Geschwistern, Verwandten, Freunden, Nachbarn usw.
Natürlich wurde auch ich geprägt, vor allen dingen durch meine Eltern. je älter ich werde, um so mehr wird mir das bewusst.
Nachdem mein Vater das Kleingeld zusammen gebracht hatte für einen Fernseher, damals noch schwarz/weiß, begann er uns über dieses Medium zu beeinflussen.
So pflegte er uns aus dem Bett zu holen, aus dem Schlaf zu reißen, wenn etwas weltbewegend war – aus seiner Sicht.
Dazu gehörten:
EWG – Einer wird gewinnen
Am laufenden Band – mit diesem Holländer
Boxkämpfe – Cassius Clay
aber auch Mary.
Mary hat mich von allen am meisten bewegt. Bin ich ein Fan? Nein. Mary hat mich einfach nur sehr bewegt. Als Georg Preusse berührt.
und natürlich nachdenklich gemacht.
Was bringt diese Welt nur für faszinierende Wesen hervor.
Ich weiß nicht, wie lange ich noch leben werde.
Wer weiß das schon wirklich.
Mein Sohn Sascha ist viel zu früh gestorben.
Wie viel Zeit bleibt also – und wofür ?
Ich merke an meinem Umfeld, dass es älter wird.
Es wird auch kränker und langsamer.
Dennoch:
Manche Dinge fangen jetzt erst wirklich an!
Da beginnt eine Bewegung der jungen Leute : Den über 60-jährigen soll das demokratische Wahlrecht aberkannt werden, weil wir deren Zukunft zerstören.
Eej, das hätte ich mir zu meiner Jugend gewünscht.
Dann wären Schröder und Merkel, Kohl und Wehner nie an die Macht gekommen.
Hoffen wir mal, dass diese Bewegung den ganz normalen Gang des Lebens geht.
Wenn die begreifen, dass weder Flugzeuge noch Handys auf Bäumen wachsen,
dass man – verdammt noch mal – für eine Kartoffel, die schmeckt – seinen
Allerwertesten bewegen muss – und Glück nicht durch die Zahnfee kommt, dann…
… ja dann besteht Hoffnung, dass diese Generation ihren Weg findet,
glücklich wird und eine Zukunft hat. Dabei helfe ich sehr gern
Reichen wir uns bitte die Hand,
denn ich habe hinter mir (oder bin noch mittendrin),
was ihr vor euch habt.
Lernen wir bitte voneinander – füreinander.
Ihr werdet auf uns – entgegen aller Propaganda durch links/grüne Politik nicht verzichten können. – Denn wenn wir uns EUCH verschließen,
gäbe es keine Zukunft. – Nicht für uns – und nicht für EUCH.
Ihr mögt das Verlachen. – Jetzt. Aber es wird der Tag kommen,
an dem ihr erkennt,
dass Erfahrung wertvoll ist.
Und sei es nur, dass man weiß,
wo sich der Notschalter befindet,
der gedrückt werden muss. .Ricarda
Manchmal geschehen Dinge im Leben und man begegnet Menschen, die den eigenen Lebensweg beeinflussen.
Ohne diese Begegnungen würde es die Folgen nicht geben.
Yared Dibaba war so eine Weichenstellung in meinem Leben,
obwohl ihm das wahrscheinlich nicht bewusst ist – bisher.
Was uns verbindet ? – Plattdüütsch !
Yared ist Oromo.
Oromo war es verboten, ihre Muttersprache zu sprechen.
Ich bin Hamburgerin und wurde erzogen hochdeutsch zu sprechen.
Plattdeutsch galt als primitiv – die Sprache der Buurn (Bauern).
Sein eigenes Kind beerdigen zu müssen,
ist wahrscheinlich immer schwer, ganz egal,
wie alt es ist. Es ist und bleibt das eigene Kind.
Was mir bis heute Kummer macht, ist,
dass Saschas Tod nie geklärt wurde.
Er sollte am Montag in die Früh-Reha gehen und verstarb am Sonntag davor.
Ich wollte, dass die Todesursache geklärt wird, aber das passierte nicht.
So bleibt einfach ein ungutes Gefühl, Besonders, weil er in einer Asklepius-Klinik verstarb. Da gab es einen Pfleger, der mir in übler Erinnerung geblieben ist.
Ich hatte einen Handspiegel mitgebracht und einen kleinen roten Ball.
Ich bat Sascha auf diese Gegenstände zu schauen und er drehte den Kopf weg. Da hätte ich schalten müssen.
Der besagte Pfleger kam, hantierte an ihm herum und ich bat darum,
den Spiegel zu verwenden.
Der Pfleger sagte darauf hin ungefähr:
„Selbst, wenn ihn Sohn mal zuckt, heißt das nicht, dass er sie versteht.“
Darauf drehte Sascha seinen Kopf wieder weg.
Bei diesem Pfleger hat sich mir der (unbewiesene) Verdacht eingeschlichen,
er könnte nachgeholfen haben. – Dieser Gedanke ist bis heute ungeklärt.
Ist Sascha verstorben wegen Herzversagen?
Hat seine Seele das entschieden?
Oder hat jemand nachgeholfen, obwohl er leben wollte?
Meine persönliche Konsequenz ist jedenfalls:
einen möglichst großen Bogen um Asklepius,
denn noch immer treibt mich die Frage um,
ob Sascha noch leben könnte, wenn sie ihn ins UKE gebracht hätten.
Und damit sind wir dann wieder bei der Zwei-Klassen-Gesellschafter.
Als Privatpatient hätte er vielleicht überlebt. .Ricarda
Mein Vater konnte einige Instrumente spielen.
Dazu gehörten Banjo, Akkordeon und Klavier.
Jedes Jahr am Heilig Abend
gegen 17 Uhr ging die Tür
zur guten Stube auf und
er begrüßte uns mit dem Lied:
So begann bei uns Weihnachten.
Es wurden Gedichte vorgetragen, Weihnachtslieder gespielt,
auch auf der Blockflöte und dann war Bescherung.
Nachdem wir uns alle schöne Weihnachten gewünscht hatten,
trugen wir das Essen auf: Kartoffelsalat und Würstchen.
Auch meine Großeltern waren da und Onkel Herbert, der bei uns wohnte.
Übrigens: Pappi war überzeugter Atheist und stolz darauf.
Das hinderte ihn nicht, mit uns Weihnachten zu feiern,
uns eine Puppenstube zu bauen, die wir am selben Abend
als Schaukel missbrauchten und zerlegten oder
uns mit einer Eisenbahn zu überraschen,
mit der dann überwiegend er selbst spielte,
weil er Angst hatte, dass wir sie kaputt machen.
. Lang ist´s her. .Ricarda
. . . :
Veröffentlicht unterAllgemein, Gedanken, Privat|Kommentare deaktiviert für Weihnachten bei uns zuhause
So wie die beiden saßen wir da einmal.
Du musstest üben, üben üben…
Und weil wir allein waren, hast du dann den Flohwalzer gespielt.
Und später hast du ihn noch einmal gespielt – auf der großen Orgel.
Ich habe erst jetzt erfahren, unter welchen Umständen dein Vater verstorben ist.
Das tut mir unendlich Leid.
Ich freue mich aber auch darüber, dass du das Andenken deiner Eltern erhalten konntest.
Du hast früher oft über Amrum gesprochen.
Damit konnte ich nicht viel anfangen.
Ich denke oft an dich und freue mich für dich.
Auch wenn wir ganz unterschiedliche Wege gegangen sind.
In meinem Herzen hast du noch immer einen festen Platz. .Ricarda
Ich weiß gar nicht genau, ob ich darüber schon einmal geschrieben habe. – Es gehören ja auch Mut und Überwindung dazu.
Karl-Peter und ich waren frisch verliebt und es stand irgendwie im Raum, ihn meinen Eltern vorzustellen.
Dagegen sprach aber immer die Krebserkrankung meiner Mutter, ihre zahlreichen Chemotherapien und ihre Erschöpftheit. – Sie vertröstete mich immer wieder.
Wir waren im Strandkorb an der Ostsee.
Ich hatte gerade noch ein Bad genommen,
da stand Karl-Peter vor mir und sagte:
„Der Engel des Todes war bei mir und hat gesagt,
du sollst deine Mutter anrufen.“
Ich nahm das Handy und rief an.
Mein Vater war am Telefon und ich sagte, wir seien in der Nähe und würden gern auf einen Sprung vorbei kommen. – Dann hatte ich Mami am Telefon.
Sie würde sich anziehen, sei aber sehr schwach.
Sie würde sich freuen, aber mit der Perücke… die sei so schrecklich warm…
Wie egal mir diese Perücke in diesem Moment war.
Ich bat Karl-Peter mir meinen Vater vom Hals zu halten.
Das versprach er mir. – Und so fuhren wir hin.
Als wir ankamen, entführte Karl-Peter meinen Vater an seinen PC.
Die beiden waren nicht nur spontan verschwunden, sondern verstanden sich
auch auf Anhieb.
Mami hatte sich aufgerafft und saß mit mir auf der Terrasse.
Wir hielten uns an den Händen, was wir früher nie taten.
Sie plauderte über einen Rollstuhl, der kommen sollte.
Wir wussten beide, dass sie ihn nicht mehr erleben würde.
Wir wussten, dass es Abschied war.
Ein Abschied für immer oder eine lange Zeit.
Eine Weile saßen wir stumm und dann sagte sie:
„Es gibt nichts mehr zu sagen.“ – Wir beide waren in Frieden.
Doch da gab es noch etwas.
„Das einzige, was mich ärgert“, sagte Mami, “ ist, dass
mein verstorbener Vater ständig um mich herum ist.
Er schwirrt durch meine Träume und macht mich wütend.“
Ich konnte ihr da nicht helfen.
Sie sagte, sie sei müde und wolle sich hinlegen.
So rief ich nach meinem Vater und Karl-Peter.
Wir verabschiedeten uns und führen nach Hause.
Am Montag danach fiel sie ins Koma und verstarb
eine Woche später – an ihrem Geburtstag.
Peti und ich hofften in eine Klasse zu kommen.
Wir hatten beide den Einschulungstest bestanden.
Da musste man mit einer Hand fünf Kastanien greifen
und sich mit einer Hand über den Kopf an das Ohr fassen.
Kein Problem !
Wir gingen sogar noch nach der Einschulung gemeinsam zur Schule.
Und dann nahm meine Mami mich zur Seite und sagte mir, dass Peti weg zieht.
Ich erinnere ich noch genau, wie wir mit Stricknadeln auf dem Boden hockten
und den Dreck aus den Rillen kratzten, als die Wohnung schon leer geräumt war,
den zwischen den Dielen.
Das ist das Letzte, was ich von Peti weiß. – Dann war er einfach weg.
Mami hat danach noch einmal telefoniert.
Peti hatte Geburtstag und ich sollte gratulieren.
Ich hing also aufgeregt am Telefon und wartete auf Peti.
Und dann hörte ich, er hat keine Lust.
Er hat einen Bagger zum Geburtstag bekommen und spielt damit in der Sandkiste.
Was wohl aus Peti geworden ist ?
. . . :
Veröffentlicht unterGedanken, Privat|Verschlagwortet mitEinschulung|Kommentare deaktiviert für Einschulung
Peti und ich hatten uns angefreundet. Seine Mutter und meine Mutter hatten irgendwie Kontakt. Beide nähten wohl Mützen. So genau weiß ich das nicht.
Aber eines weiß ich.
Wir hatten gerade Telefon. Die Nummer war 65 90 91
Ich glaube sowas vergisst man nie! Später war sie 65 1 90 91
Wir hatten so ein elfenbeinfarbenes Telefon mit Wählscheibe. Es stand im Wohnzimmer und war noch ganz neu.
Mami rief Frau Möller an. So hieß Petis Mutter. Ich war verschwunden und sie war in heller Aufregung. Frau Möller beruhigte sie. Ich war bei Peti und aß Grünkohl.
Grünkohl????
Das war das Zeug, was ich bisher wohl regelmäßig ausgespuckt hatte! Jedenfalls holte mich Mami sofort ab. Es gab von sofort auf gleich keine Ausrede mehr, kein Grünkohl zu essen, und überhaupt: ich durfte gar nicht über die Straße gehen….
die Welt stand Kopf!
Immerhin hatte ich jetzt einen Freund auf der anderen Straßenseite. Ganz weit weg von zuhause – mit Duldung meiner Mami – und ich betrat eine neue Welt.
Veröffentlicht unterPrivat|Verschlagwortet mitGrünkohl|Kommentare deaktiviert für Grünkohl
Am Dunckersweg/Ecke Oswaldstraße gab es einen Tante-Emma-Laden.
Nach dem Krieg ließen wir dort auch anschreiben, und es gab dort einfach alles. Es gab sogar Salmi und Dauerlutscher, natürlich frische Milch und Brötchen – eben einfach alles.
Meine Mami ging dort mit uns hin, aber der Laden war sehr lütt. Wenn sie Wochenendeinkauf machte und an der Käsetheke stand, konnte es schon mal länger dauern. Mir war langweilig und so durfte ich vor die Tür.
Zum Laden führten vier Stufen und dabei war eine Stange. Da konnte man runter hangeln. Und das machte ich dann auch.
Als ich da so hangelte, piepste eine Stimme: „Wie heißt du?“ Ich guckte und da war son lütten Jung. Also stellte ich mich auf meine kleinen Beine und beäugte ihn. Da kam seine Mutter raus und sie gingen nach Hause. Die Mutter ging, er hüpfte und ich immer mit Abstand dahinter. „Wollen wir Freunde sein?“ rief er. „Ja,“ antwortete ich und dann kam Mami aus dem Laden. Sie wollte nach Hause, hatte ja zu schleppen.
Und dann ging es über die Straße. Das war die Straße, die verboten war – ohne Mami. Und so hüpften ich auf der einen Seite und er auf der anderen Seite immer ein paar Meter weiter. „Darf ich noch draußen bleiben?“ Eine höchst ungewöhliche Frage für eine Fünfjährige.Aber ich durfte! Und so hüpften wir. Ich auf der einen Seite und er auf der anderen.
Keiner von uns durfte über die Straße gehen – und wir hielten uns daran!
„Wie heißt du? “ rief ich rüber. „Peti“, war die Antwort.
„Komm rüber“, rief er. „Darf ich nicht,“ antwortete ich. Und so hüpften wir beide lange auf den Straßenseiten, aber keiner traute sich über die Straße. Dann wurde es düster. Die Laternen gingen an.
„Ich muss nach `Haus“, rief er und ich: „Ich auch. Bis Morgen.“ „Ja, bis morgen.“
Veröffentlicht unterAllgemein|Kommentare deaktiviert für Peti – mein erster Freund
Als ich an Mamis Grab stand, meinen Vater am Arm,
da hatte ich einen Gedanken:
Alles Streben, alle Kämpfe, Mobbing
– ja – auch das hatte sie erlebt –
das Anhäufen von Schätzen – kleine und große –
und was bleibt am Ende?
Am Ende bleibt ein Sarg, platziert auf ca. zwei Quadratmetern.
Vorbei ist es mit allen Kämpfen, allen Wünschen oder Hoffnungen, Sinnfragen, Zweifeln…
Ich habe meinen Frieden gemacht.
Nach Saschas Tod – dem Tod meines ältesten Sohnes – habe ich meinen Frieden gemacht mit der Vergänglichkeit. – Nichts und Niemand bringt sie uns je zurück !
Sie leben nur noch in unserer Erinnerung – wenn wir es zulassen.
Niemand ist wirklich tot, solange jemand an ihn denkt, sagte Nitsche.
Ich denke an meine Lieben und ich denke gern an euch.
Daran schließt sich die Frage an:
Wer wird an dich denken ?
Hast du irgend etwas in deinem Leben getan ? – Für wen ?
… und wird er an Dich denken ?
Alle Jahre wieder kommt Weihnachten. Unvermeidlich!
Als Kind ist es ganz anders, als zur Jugendzeit,
als Eltern anders als zur Zeit der Großmutter.
Bei mir liegen dazwischen aber auch
noch viele andere Entwicklungen.
Davon möchte ich euch erzählen.
Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit…
Mit diesem Lied leitete sich in meiner Kindheit die Weihnachtszeit ein.
Ich zerflückte alte Schulhefte, nahm den schwarzen Umschlag,
pauste Weihnachtsmotive auf Butterbrotpapier, übertrug sie auf die dünne Pappe,
schnitt sie aus und hinterklebte sie mit buntem Pergamentpapier.
So entstanden kleine Laternen, die unsere Wohnung schmückten.
Meine hatten schönere Motive!
Wir bastelten aus buntpapier Papierschlangen
für den Weihnachtsbaum und kleine Kästchen
für den Adventskalender, sangen Weihnachtslieder und backten Plätzchen. Heilig Abend spielte mein Vater auf dem Klavier Ihr Kinderlein kommet…
Dann war Bescherung.
Meine Großeltern waren zu Besuch.
Wir zogen unsere guten Sachen an.
Es gab Kartoffelsalat und Wiener.
Meine kleine Welt war in Ordnung.
Als Jugendliche wollten wir unseren Eltern auch etwas schenken.
Das Klavier gab es nicht mehr. Am Weihnachtsbaum hingen Kugeln
und weniger Süßigkeiten und überhaupt… Lieder und Gedichte kamen
aus dem Plattenspieler und mein kleiner Bruder war im Stimmbruch.
Da war singen gar nicht angesagt. In Mode war inzwischen Julklapp
und so packten wir unsere Geschenke in Tonnen von Mogel-Papier.
Sie wanderten von einem zum anderen, und wir hatten viel Spaß.
Ich zog aus, lernte meinen Mann kennen, bekam Kinder
und meine Eltern flüchteten vor Weihnachten, während meine Schwiegereltern
sehr feste Rituale hatten, zumal Schwiegervater ein Christkind war.
Der Vormittag war angefüllt mit dem Vorbereiten der Platten für den Geburtstags-Empfang, und nachdem sich die Gäste torkelnd ins eigene Heim trollten, begannen bei uns die Vorbereitungen für die Bescherung.
Danach saßen wir vor dem Kamin und freuten uns auf die Weihnachtsgans
am nächsten Tag. – Schwiegervater starb 1984.
Nach seinem Tod wurden mein Mann und ich Zeugen Jehovas
und blieben es (ich) 15 Jahre lang.
Weihnachten gehört zu jenen Dingen, die Zeugen Jehovas nicht feiern.
So trennte ich mich von meinem lila-Tannenschmuck, der Krippe,
der Weihnachtspyramide und vielen anderen Dingen, die mit Weihnachten zu tun hatten. Während andere zur Weihnachtszeit durch die Geschäfte hetzten,
machte ich die Steuererklärung und freute mich, Zeit zu haben.
Als Zeuge Jehovas erlebt man Weihnachten in Form von Vermeidung.
Das geht so weit, auf den Gruß Fröhliche Weihnachten
mit Ihnen auch eine schöne Zeit zu antworten.
Mit meinem Ausstieg begann eine Phase des neuen Forschens.
Ich las unglaublich viele Bücher, besuchte als Kontaktstudierende die Uni,
auch Theologie, und diskutierte mit unzähligen Menschen über dies und das
und Weihnachten.
Meine beiden Lütten, die erst geboren wurden, nachdem wir Zeugen waren,
hatten noch nie Weihnachten gefeiert. An das erste mal denke ich gern zurück:
Ich hatte meinen Mann verlassen. Mein Bruder unterstütze mich,
auch finanziell und wir kauften eine Tannenbaum von ein Meter Höhe.
Eine Kundin schenkte uns ihren Christbaumschmuck.
Wir überließen das Schmücken den Lütten und kauften ein.
Da erreichte mich ein verzweifelter Anruf des Jüngsten:
„Mama, da ist son silbriges Zeug. Was sollen wir damit machen?“ –
„Das ist Lametta. Das hängt man über die Zweige“, antwortete ich.
Als wir nach Hause kamen, konnten wir uns vor Lachen nicht halten.
Der Christbaumschmuck war offensichtlich für einen weit größeren Baum gedacht.
Vor lauter Lametta war von dem Bäumchen nichts mehr zu sehen!
Wir hatten trotzdem unseren Spaß zusammen.
Der Sinn von Weihnachten erschloss sich den Kindern jedoch nicht wirklich.
Erst nach vielen Jahren und etlichen Diskussionen begann ich
wieder etwas Freude an Weihnachten zu empfinden. Das verdanke ich diesem Video:
Es half mir, mich von den Zeugen-Altlasten zu befreien und Weihnachten auch emotional wieder zuzulassen. – Aber welches Weihnachten ?
Nachdem ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde, die einen politischen Zweck verfolgten und Ähnlichkeiten zu anderen Heilanden, die lange vor Jesus lebten, kann ich mit der christlichen Weihnacht nichts mehr anfangen. Dazu hat dieses Video auch beigetragen:
Ich versuchte es zunächst mit Gänsebraten, Fondue und Rudolf mit der roten Nase
und machte mich auf die Suche nach Weihnachten ohne christlichen Hintergrund.
Das endet aber spätestens im Supermarkt, wo man mit Weihnachtsliedern berieselt wird.
Bei den Zeugen Jehovas habe ich gelernt, dass Weihnachten heidnischen Ursprungs ist.
Es soll auf die Römer zurück gehen, die Lichter anzündeten, um die Sonne zur Sonnenwendfeier zu begrüßen.
Wahrscheinlich haben die Menschen die Sonne aber schon immer begrüßt,
wenn die Tage wieder länger wurden. Diesen Gedanken finde ich übrigens schön. (Derzeitiger Stand meiner Weihnachts-Evolution).
Ich sehne diesen Wendepunkt herbei – jedes Jahr wieder.
Diesmal ist er am 21. Dezember 2016, um 11:44 Uhr.
Ich habe schon viele Interviews gegeben. Aber dieses war ein ganz besonderes.
Sandra Maxeiner wollte mit mir ein Interview zu Mobbing machen und ich sagte zu. Nach einem Blick auf ihre Seite musste ich passen, denn sie suchte Leute, die sich ehrenamtlich betätigen. Ich jedoch verdiene damit meinen Lebensunterhalt. Wie schade.
Allerdings bin ich in einem anderen Bereich auch ehrenamtlich tätig.
Seit 2004 begleite ich Menschen, die die Zeugen Jehovas verlassen möchten.
Das fand sie spannend und wir vereinbarten einen Termin für ein Interview.
Es wurde in der Huffingten Post veröffentlicht und ist jetzt auch in Ihrem Buch nachzulesen.
Karl-Peter hat sich so darüber gefreut,
dass er gestern dazu einen Blogbeitrag geschrieben hat.
Sandra Maxeiner ist es in diesem Interview gelungen,
das übergeordnete Thema meines Lebens darzustellen.
Wer das Glück hat von ihr interviewt zu werden,
für den wird der eigene Lebenssinn sehr klar.
Danke für dieses tolle Interview.
Dank dieses Buches wird es der Nachwelt erhalten bleiben.
Ricarda
. Margit Ricarda Rolf – im Botanischen Garten in Hamburg (Klein Flottbek)
Kleine Brüder bleiben immer kleine Brüder,
auch wenn sie körperlich größer sind.
Wir verstehen uns gut und sind füreinander da.
So gehört Manfred auch zu den Gründungsmitgliedern
der Mobbing-Zentrale, obwohl das so gar nicht sein Thema ist.
Er ist eher der Computer-Mensch.
Für mich steht fest:
Meine Mami war die schönste Frau der Welt
und dies ist mein Lieblingsfoto von ihr.
Wenn ich eine Charaktereigenschaft mit ihr in Verbindung bringen sollte, dann wäre es Fröhlichkeit.
Wir haben es geliebt, stundenlang gemeinsam spazieren zu gehen und zu reden. Ob durch den Bloomspark oder am Strand in Dahme, wir schlenderten nebeneinander her und redeten. Über Gott und die Welt, meinen Vater oder Bruder, meine Kinder, die Familie, berufliche Probleme oder ein Rezept. – Uns ging der Gesprächsstoff nie aus.
So war meine Mami eher Freundin als Mutter,
was mich sicher überfordert hätte,
wenn ich nicht so ein ernstes Kind gewesen wäre.
So nannte mich Mami denn auch „mein Problemchen“.
Ich zerbrach mir schon als Kind meinen Kopf über die hungernden Kinder in Biafra, Kriege, Krebs und die Gleichgültigkeit der Menschen.
Sie starb mit 69 Jahren an den Folgen von Brustkrebs nach vier Chemotherapien.
Ich vermisse sie sehr.
Rany wurde am 21.08.1933 geboren und starb am 21.08 2002.
Sie starb an den Folgen von Brustkrebs. Ich habe gehofft, sie könnte den Krebs besiegen,
aber nachdem ihr eine Brust abgenommen wurde und die Lymphknoten
und sie zwei Jahre Ruhe hatte, hatten sich Metastasen auf der Leber gebildet.
Sie trug durch 4 Chemotherapien dazu bei, dass geforscht werden konnte.
Aber dann entschied sie sich, zu sterben. – Es war genug.
Als gläubige Christin bat sie Jesus noch um zwei weitere Jahre Leben
und ich bat sie um 20 weitere Jahre zu bitten.
„Lass es gut sein,“ war ihre Antwort. Zwei Jahre sind genug.
Ihr wurden fünf geschenkt und sie regelte ihre Angelegenheiten.
Noch kurz vor ihrem Tod tanzte sie zur Musik, die mein Vater auf der Heimorgel
für sie spielte und mir war es vergönnt von ihr Abschied zu nehmen.
Wir hielten uns an den Händen und es gab nichts mehr zu sagen.
7 Tage danach fiel sie ins Koma und an ihrem Geburtstag wurde sie erlöst.
Wie schön, dass es jetzt das Internet gibt.
So kann man sich an liebe Menschen erinnern.
Das ist besser als das schönste Grab.
„Mami, Mami,“ ich rannte aufgeregt zu Mami
in die Stube.
„Kann es sein, dass es mich gar nicht gibt?“
Mami sah mich an und überlegte wohl.
„Kann es sein, dass irgendwo ein Kind auf einem roten Sofa liegt und mich nur träumt?“
Wir hatten so ein rotes Sofa.
Ich legte mich gern dort hin und träumte manchmal.
Ich war fünf Jahre alt, als ich Mami die Frage stellte.
Sie sah mich an und plötzlich zwickte sie mich in den Arm.
„Hast du das gemerkt?“ fragte sie.
Ja, das hatte ich.
„Dann gibt es dich,“ sagte sie.
„Ach mein Problemchen,“ ergänzte sie, nahm mich in den Arm
und damit war das Problem für sie erledigt.
Für mich (vorläufig) auch.
Ich habe mir Zeit genommen für mich und mein Kind. Was heißt das? Sonntag, wenn der Rest der Familie eher ausschläft, bin ich Frühaufsteherin zum Grab gefahren, habe Sascha eine Rose gebracht und Zwiesprache gehalten. Eine Zeit der Besinnung für mich.
Vieles blieb ungeklärt. Die Frage nach dem warum?
Aber eines war völlig klar. Auch mein Leben ist endlich. So habe ich in diesem Jahr viele Konsequenzen gezogen. Bei jedem Stück Papier hat mich die Frage begleitet, ob es Wert ist für die Nachwelt erhalten zu bleiben. Der Schredder war in diesem Jahr mein bester Freund. Vieles, was ich noch vor Jahren für wertvoll hielt – in Papierform – erweist sich Dank Internet heute als überflüssig.
Sascha fehlt.
Ich, der ewige DAU, kann nicht mal eben anrufen und fragen. Und niemand sagt dann zu mir: „Mama, das ist doch ganz einfach. So eine Frage kann auch nur ein DAU stellen.“
Sascha Clemens Rolf
Klick. Klick. Lösung.
Beim Weg-Schreddern fiel mir ein Dokument in die Hände. – Es hat mich
an unsere schönste Zeit erinnert.
Ein Jahr lang haben wir gemeinsam
eine Radiosendung gemacht
beim Offenen Kanal: .Sprechstunde Mobbing.
Da habe ich unter Saschas Regie gearbeitet und es hat unglaublich viel Spaß gemacht.
.
Wir haben uns entschlossen im nächsten Jahr Fernsehen zu machen
und erhielten gerade die Einweisung mit den Kameras und im Schneideraum.
Da schloss der Offenen Kanal.
Sehr schade.
Nur ein Brief erinnert an diese Zeit.
Ich bin meinem Sohn Sascha unendlich dankbar, dass mir diese Entscheidung erspart geblieben ist. Wäre es anders gekommen, hätte ich mich immer an meinen Schwur gebunden gefühlt.
Jeder Mensch sollte das Recht haben auf ein Leben in Würde und auf ein Sterben in Würde. Um es mal knallhart zu formulieren: was geht mich der Schwur irgendeines Arztes an, den er geleistet hat, um Karriere zu machen? Ich habe großen Respekt vor jedem Arzt, der das Wohl seines Patienten in den Vordergrund rückt.
So viele schreiben über den Mauerfall, dann werde ich das jetzt auch einmal tun.
Wir hatten natürlich in den Nachrichten davon gehört. Aber das Leben geht weiter. Wie jeden Morgen fuhr ich mit dem Fahrrad zur Grenze. Ich hatte dort eine Putzstelle, mit der ich mir etwas Taschengeld dazu verdiente.
Die Grenzstation bestand aus zwei Teilen, den der Grenzer – dort putzte ich – und den vom Zoll – dort war eine Kollegin.
Ich war im Klo am Putzen, hatte meine Gummihandschuhe an und ein junger Grenzer kam ins Klo und rief: „Frau Rolf, kommen Sie mal schnell. Ihre Brüder sind da.“ Ich war damals eine Zeugin Jehovas und da ich gern gepredigt habe, wusste das natürlich auch jeder. Ich dachte der junge Mann wollte mich auf den Arm nehmen. Aber er beharrte darauf: „Kommen Sie schnell. Die stehen mit ihrem Trabi vor der Tür. Die haben auch nicht viel Zeit.“ Ich zog die Gummihandschuhe aus, wusch mir die Hände und ging vor die Tür.
Sonja und ihr Mann standen dort, fielen mir um den Hals und Sonja sagte: „Wir konnten es nicht glauben, als es in den Nachrichten kam. Wir wollten uns selbst überzeugen.
Da wir wussten, dass du hier arbeitest, haben wir uns in den Trabi gesetzt und sind mal schnell über die Grenze. Aber wir müssen gleich wieder zurück. Die Lütte muss ja zur Schule.“ – „Na, hoffentlich lassen sie euch wieder rein,“ antwortete ich. Es war gegen 7:15 Uhr. Meine Arbeitszeit ging von 6 Uhr bis 7:30 Uhr. „Ihr habt Glück, dass ihr mich noch erwischt habt.“ Wir umarmten uns, trugen Grüße auf an die Familien und die Brüder der Nachbarversammlung, dann fuhren sie auch schon wieder davon. Ich winkte Ihnen nach und der junge Grenzbeamte freute sich und sagte: „Sag ich doch, Frau Rolf, ihre Brüder sind da und Sie wollten mir nicht glauben.“
Die Bilder, die sich in den folgenden Tagen und Wochen in Lauenburg abgespielt haben, sind in den Medien bekannt. Aber das hier ist mein ganz persönliches Mauerfall-Erlebnis.
Gestern fand die Trauerfeier für meinen ältesten Sohn Sascha statt, der am 05. Oktober 2014 an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben ist. Sascha hinterlässt seine Ehefrau, einen Sohn, drei Geschwister, seine Eltern und viele Verwandte, Freunde, Nachbarn. Ihr wart alle sehr tapfer gestern und ich danke euch allen, dass ihr Sascha die letzte Ehre erwiesen habt.
Veröffentlicht unterSascha|Kommentare deaktiviert für Sascha Clemens Rolf – Beisetzung
So wie andere Leute Auto fahren, war Sascha mit PC, Internet und Programmen vertraut. Das war seine Welt. Kein Problem, das er nicht im Handumdrehen hätte lösen können.
Irgendwann kommt der Zeitpunkt, da spielt die Mama nicht mehr eine so bedeutende Rolle im Leben eines Sohnes. Die Frau an seiner Seite ist seine damalige Verlobte und spätere Ehefrau. Glück muss man nicht kommentieren.
Wenn man jung ist, glaubt man, alles erreichen zu können. Sascha war da nicht anders als andere junge Leute. Er träumte davon in die USA auszuwandern. Bill Gates war sein Vorbild. Bereits als achtjähriger konnte er besser als wir alle auf dem C 64 Paperboy spielen. Mit 16 war er mit jungen Hackern befreundet. Das Internet eröffnete ihm eine neue Welt, in der er mehr zuhause war als ich. Durch Spiele lernte er programmieren; durch einen Lehrer die Programmsprache C. Das alles fiel ihm leicht.
Mit mir war er geduldig und zeigte mir, wie die Spiele und das Internet funktionieren. Ich habe sehr viel von ihm gelernt.